Euro-Märchen 2:
"Durch den Euro wächst der Wohlstand."
Auch für den Wohlstand eines Landes ist das Bruttoinlandsprodukt
(BIP) einer der wichtigsten Indikatoren. Ein Land mit hohem BIP
ist allerdings nicht unbedingt wohlhabend, wenn sich der Wert der
erwirtschafteten Güter auf viele Einwohner verteilt. Daher ist für
den Wohlstand eines Landes das BIP pro Kopf eine geeignete
Meßgröße. Wenn der Euro zur Wohlstandsmehrung beiträgt, müßte das
BIP pro Kopf in den Euroländern also stärker gewachsen sein als in
den Nicht-Euroländern. Wie verhält es sich damit?
- Das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist von 1999 bis
2013 in den elf Euro-Gründungsländern in der Tat um 2.300 €
auf 26.400 € gewachsen.
- Ob der Euro dabei eine positive Rolle gespielt hat, sieht
man freilich erst beim Vergleich mit der gesamten EU.
Dort stieg das BIP pro Kopf im selben Zeitraum aber um 3200 €,
das sind fast 40 % mehr! Ebenso zeigten die USA (plus
4.800 €) und erst recht die Schweiz (plus 6000 €)
ein sehr viel besseres Ergebnis.
- Noch erschreckender fällt die Bilanz aus, wenn man die
prozentuale Veränderung des BIP pro Kopf betrachtet und die
vergleichsweise wenig entwickelten Südländer Portugal,
Griechenland und Zypern (allesamt Rettungskandidaten) mit den
ebenfalls wenig entwickelten Ländern des ehemaligen Ostblocks
vergleicht: Diese sind nämlich in den letzten 14 Jahren um
mindestens fast 28 % gewachsen (Slowenien), die baltischen
Staaten haben ihr BIP pro Kopf sogar zum Teil verdoppelt (Litauen
plus 117,9 %). Portugal, Griechenland und
Zypern haben sich dagegen nur zwischen 1,9 % und 4,3 %
verbessert. Italien lag anscheinend komplett auf der
faulen Haut, dort ist das BIP pro Kopf seit Einführung des
Euros um 3,4 % geschrumpft!
- Auch der Vergleich des BIP pro Kopf in
Kaufkraftstandards, das die unterschiedlichen
Lebenshaltungskosten in den Ländern berücksichtigt, macht das
deutlich. Die dritte Grafik zeigt jeweils relativ zur gesamten
EU (Index = 100), welche Länder in den Jahren 1999
(dunkelblau) und 2013 (hellblau) ärmer oder reicher waren als
der EU-Durchschnitt in diesem Jahr. In den Eurogründungsländern
ist dieser Wert von 115 auf 110 gesunken. Auch hier
zeigen wieder die Nicht-EU-Länder Norwegen und Schweiz, wie es
besser geht: Die Schweiz konnte sich von 149 auf 158 steigern,
in Norwegen ist der Lebensstandard mit 191
sogar fast doppelt so hoch wie im EU-Durchschnitt.
Fazit: Daß der Euro den Wohlstand fördert, ist beim besten
Willen nicht zu erkennen. Eher ist das Gegenteil der Fall.